Wir wollen hier untersuchen, inwieweit dieser Film, der so zentrale Bedeutung für die Umweltbewegung hat, seinem eigenen Anspruch genügt. Wieviel Wahrheit findet sich in "Eine unbequeme Wahrheit"?
Gore beginnt mit Aufnahmen, welche eine emotionale Grundeinstellung der Zuschauer bewirken sollen. Er spricht von seiner Liebe zur Natur, vom nahezu tödlichen Verkehrsunfall seines jungen Sohnes, vom Krebstod seiner Schwester, die Opfer der Lügen der Tabakindustrie geworden sei, wobei Gore andeutet, dass die Klimaleugner vergleichbar mit den Leugnern eines Gesundheitsrisikos durch Rauchen seien. Dann erzählt Gore, wie er durch den Besuch der Vorlesungen von Professor Roger Revelle in Harvard während der 1960er Jahre dazu kam, den Klimawandel als die bei weitem größte Bedrohung zu erkennen, der sich die Menschheit jemals gegenüber gesehen habe.
Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Gore ist keineswegs der einfache, naturverbundene Junge vom Land, sondern er verbrachte seine Kindheit und Jugend fast ausschließlich in Washington D.C., weil sein Vater, der US-Senator und Erdölmillionär Albert Gore senior, aus beruflichen Gründen in der Hauptstadt sein wollte. Den Tod seiner Schwester der Tabakindustrie anzulasten ist etwas seltsam, denn die Familie Gore gehörte selbst zu diesem Wirtschaftszweig, da sie auf ihrem Land in großem Stil Tabak anbaute. Die Berufung auf Roger Revelle ist irreführend, denn dieser hat wohl frühzeitig auf den Anstieg des CO2-Gehalts der Atmosphäre hingewiesen und die Einrichtung der Meßstation auf dem Mauna Loa initiiert, aber er war nicht der Meinung, dass der Mensch Einfluß auf das Klima habe. Im März 1984 sagte Revelle in einem Interview mit dem Omni Magazin: "...wether the increase [of CO2] will lead to a significant increase in global temperature, we can't absolutely say." Revelle antwortete 1987 in einem Interview mit Time auf die Frage, ob der Mensch am Klimawandel schuld sei: "Climate is a complicated thing, and the changes seen so far may be due to some other cause which we don't yet understand." Im Juli 1988, nachdem James Hansen während einer Anhörung im Kongress die politische Klimahysterie gestartet hatte, schrieb Revelle an ein Mitglied des Kongresses: "Most scientists familiar with the subject are not yet willing to bet that the climate this year is the result of 'greenhouse warming'. As you very well know, climate is highly variable from year to year, and the causes of these variations are not at all well understood. My own personal belief is that we should wait another 10 or 20 years to really be convinced that the greenhouse effect is going to be important for human beings, in both positive and negative ways." Im April 1991 veröffentlichten Revelle und der bekannte AGW-Skeptiker Fred Singer in der Zeitschrift Cosmos den Artikel "What to Do About Greenhouse Warming: Look Before You Leap". Die beiden Autoren stellten fest: "The scientific base for a greenhouse warming is too uncertain to justify drastic action at this time. There is little risk in delaying policy responses." Bereits im Sommer 1992, als Gore im Wahlkampf um das Amt des Vizepräsidenten stand, gab es in der Presse Hinweise auf den Widerspruch zwischen seiner Inanspruchnahme von Revelle und dessen tatsächlicher Haltung. Das hinderte aber Gore nicht daran, in seinem Film von 2006 sich wiederum als Jünger und Schüler des nunmehr verstorbenen Professors darzustellen.
Im Film geht es weiter mit eindrucksvollen Bildern und dramatischen Grafiken. Gore zeigt Aufnahmen des zerbrechlichen Planeten Erde aus dem All; zurückziehende Gletscher und die schnell verschwindenden Schneefelder des Kilimandscharo; rührende Bilder von Eisbären, die um ihr Überleben kämpfen und sogar ertrinken, weil das Eis in der Arktis schmilzt; Pinguin Populationen, die um 70% zurückgingen, weil die Eisränder in der Antarktis abbrechen; Zunahme von extremen Wetterereignissen am Beispiel des Wirbelsturms Katrina, der gerade New Orleans heimgesucht hatte. Für alle diese Schrecken hat Gore eine einfache Erklärung. Schuld sind die satanischen Treibhausgase, die vom Menschen in seinem sündigen Streben nach Wohlleben freigesetzt werden. Zur Erläuterung des Sachverhalts greift Gore auf die zu diesem Zeitpunkt bereits völlig diskreditierte 'hockey stick' Kurve von Michael Mann zurück, allerdings in einer modifizierten Form, die von seinem angeblichen Freund Dr. Lonnie Thompson stammen soll. In dieser Kurve kann Prophet Gore die Mittelalterliche Wärmeperiode nicht ganz unterdrücken, aber auch so ist die Botschaft klar: konstante Temperaturen über ein Jahrtausend, bis im 20. Jahrhundert ein vorher nie dagewesener Temperaturanstieg einsetzt. Über die Temperaturkurve legt Gore dann seine Version der Entwicklung der CO2-Werte, und siehe da: es ist offensichtlich, dass beide Kurven parallel zueinander verlaufen.
Die Behauptung von Gore, dass seine Temperaturkurve auf den Studien seines 'Freundes' Lonnie Thompson beruhe, trifft nicht zu. Thompson hatte sich bei seiner Untersuchung von Bohrkernen aus Gletschern auf die Frage beschränkt, welche Niederschlagsmengen in hohen Lagen zu verzeichnen waren. In den veröffentlichten Arbeiten von Thompson gibt es keine Spur jener Temperaturkurve, die Gore verwendet hat. Es stellte sich heraus, dass die im Film gezeigten Temperaturwerte vom späten Mittelalter bis circa 1950 aus der berüchtigten 'hockey stick' Kurve stammten, während die Werte für das späte 20. Jahrhundert vom britischen Hadley Center geliefert wurden. Gore hat also eine angepasste Version der 'hocky stick' Kurve verwendet, um zu 'beweisen', dass genau diese Kurve richtig ist. Ein klassischer Fall von zirkulärer Logik. Siehe dazu: Calibrating Dr Thompson's Thermometer und Irreproducible Results in PNAS.
Gore gesteht drei winzige Warmphasen zwischen 1100 und 1400 zu, aber er nennt nur eine von ihnen, die bei ihm von 1360 bis 1370 verläuft, die Mittelalterliche Wärmeperiode. Auch hier kann man von Gore lernen. Wie kommt man zu einer nur zehnjährigen Wärmeperiode im Mittelalter? Indem man das Mittelalter erst 1200 beginnen lässt. Tatsächlich dauerte die MWP von circa 900 bis 1300, wie hunderte wissenschaftliche Studien beweisen. Innerhalb der MWP gab es eine eine kalte Phase von 1040 bis 1080, als die Sonne sehr inaktiv war (Oort Minimum). Die MWP war keineswegs auf Europa beschränkt, sondern weltweit anzutreffen. Gore verschweigt auch, dass es eine Erwärmung des Klimas zur Zeit der Römer gab, die von 250 vor unserer Zeitrechnung bis 450 dauerte. Ach davor gab es Warmzeiten. Das Klimaoptimum des Holozäns begann vor 9.000 Jahren und endete vor 5.000 Jahren. Während dieser Zeit war es erheblich wärmer als heute. Alle diese Wärmephasen kamen ohne Einwirkung des Menschen zustande. Da die Maximaltemperaturen der gegenwärtigen Wärmeperiode, die Ende des 20. Jahrhunderts erreicht wurden, noch immer deutlich unter den Werten der vorhergegangenen Wärmeperioden liegen, ist die globale Erwärmung der Gegenwart eindeutig im Bereich der natürlichen Schwankungsbreite. Siehe dazu:
- W.S. Broecker, (2001), 'Was the Medieval Warm Period global?', Science, 291, 1497-1499.
- E.J. Steig, et al. (1998), 'Synchronous climate changes in Antarctica and the North Atlantic', Science, 282, 92-95.
- S. Huang, et al. (1997), 'Late Quaternary temperature change seen in worldwide continental heat flow measurements', Geophysical Research Letters, 24, 1947-1950.
- J. Esper, et al. (2002), '1,300 years of climate history for West Central Asia inferred from tree rings', The Holocene, 12, 267-277.
- B. Yang, et al. (2002), 'General characteristics of temperature variation in China during the last two millenia', Geophysical Research Letters, 29, 1029/2001.
- M.A. Cioccale, (1999), 'Climatic fluctuations in the Central Region of Argentina in the last 1000 years', Quaternary International, 62, 35-47.
- A.J. Chepstow-Lusty, et al. (2003), A late Holocene record of arid events from the Cuzco region, Peru', Journal of Quaternary Science, 18, 491-502.
- W. Soon, et al. (2003), 'Reconstructing climatic and environmental changes of the past 1,000 years: A reappraisal', Energy and Environment, 14, 233-296.
Die Behauptung von Gore, dass Anstieg und Rückgang von CO2 in den vergangenen 500.000 Jahren exakt mit dem Temperaturverlauf übereinstimme und deshalb erwiesen sei, dass der CO2-Gehalt der Luft die Temperatur reguliere, ist empirisch vielfach widerlegt worden. Tatsächlich folgt nicht die Temperatur der CO2 Entwicklung, sondern es ist umgekehrt. Zuerst verändert sich die Temperatur, dann folgt in einem Abstand von mehreren hundert Jahren der CO2 Gehalt der Atmosphäre. Dieser ist eine abhängige Variable und nicht der Treiber des Klimawandels. Siehe dazu:
- H. Fischer, et al. (1999), 'Ice core record of atmospheric CO2 around the last three glacial terminations', Science, 283, 1712-1714.
- N. Caillon, et al. (2003), 'Timing of atmospheric CO2 and Antarctic temperature changes across Termination III', Science, 299, 1728-1731.
Gletscher sind niemals stationär, sondern wachsen oder schrumpfen in Abhängigkeit von der Aktivität der Sonne. Die Gletscherdynamik ist überhaupt nicht mit CO2 korreliert. In den letzten Jahrtausenden waren die Gletscher bereits mehrmals viel kleiner, als das heute der Fall ist. Der gegenwärtige Rückgang vieler Gletscher begann um 1850, als die Industrialisierung noch in den Kinderschuhen steckte. Ab 1940 ist bei der Hälfte der Gletscher kein Rückgang mehr zu verzeichnen, viele von ihnen wachsen seitdem wieder. Auf Grönland und in der Antarktis, wo sich 99% der globalen Eismengen befinden, haben die Eisdecken zugenommen. Der Schnee des Kilimandscharo geht seit 1880 zurück. Der Grossteil des Rückgangs erfolgte vor 1950. Der Grund hierfür liegt in einer lokalen Entwaldung, wodurch die Niederschläge stark zurückgingen. Mit der globalen Erwärmung hat dieser Vorgang nichts zu tun. Siehe dazu:
- P.J. Polissar, et al. (2006), 'Solar modulation of Little Ice Age climate in the tropical Andes', Proceedings of National Academy of Sciences, 13 June 2006, 103, 24.
- W. Krabill, et al. (2000), 'Greenland ice-sheet: high elevation balance and peripheral thinning', Science, 289.
- O.M. Johannessen, et al. (2005), 'Recent ice-sheet growth in the interior of Greenland', Science, 310.
- D. Wingham, et al. (2006), 'Mass Balance of the Antarctic Ice Sheet', Philosophical Transactions of the Royal Society, 364, 1627-1635.
- R.J. Braithwaite, (2002), 'Glacier Mass Balance: The First 50 Years of International Monitoring', Progress in Physical Geography, 26, 76-95.
- T. Molg, et al. (2003), 'Solar-radiation-maintained glacier recession on Kilimanjaro drawn from combined ice-radiation geometry modeling', Journal of Geophysical Research, 108.
Die Behauptung von Gore, dass der Meeresspiegel im 21. Jahrhundert um 6 Meter steigen werde, ist reiner Unsinn. Sogar der IPCC prognostiziert in seinem 4. Assessment Report von 2007 'nur' 18 bis 59 cm Anstieg bis 2100. Die grösste Expertise auf diesem Gebiet hat die International Union for Quaternary Research (INQUA). Ihre Commission on Sea Level Changes and Coastal Evolution sagt einen Anstieg des Meeresspiegels von "10 cm - plus oder minus 10 cm" für die nächsten 100 Jahre voraus. In den letzten 300 Jahren war kein Trend in der Entwicklung des Meeresspiegels zu erkennen. Die meisten Experten erwarten einen Anstieg von 10 bis 15 cm in den nächsten hundert Jahren. Das entspräche dem Durchschnitt der vergangenen Jahrhunderte. Siehe dazu:
- N.A. Mörner, (January 2004), 'Estimating Future Sea Level Changes from Past Records', Global and Planetary Change', 40, 49-54.
- C. Cabanes, et al. (2001), 'Sea level rise during the past 40 years determined from satellite and in situ observations', Science, 294, 840-842.
Die von Gore behauptete Zunahme extremer Wetterereignisse hat nicht stattgefunden. Weder hat die Anzahl der Wirbelstürme zugenommen, noch die Häufigkeit von Dürren oder Überschwemmungen. So war zum Beispiel im Atlantik die Zahl der Wirbelstürme der Kategorien 3 - 5 nach 2000 geringer als in den 1950er Jahren. Von den 1960er Jahren bis zu den 1990er Jahren nahm ihre Häufigkeit ab, um danach wieder zuzunehmen. Der Wasserverlust des Tschadsees, der sehr flach ist und in der Vergangenheit bereits mehrmals völlig austrocknete, hat nichts mit globaler Erwärmung zu tun, sondern erklärt sich aus lokalen Faktoren, wie Übernutzung und Trockenperioden in der Region. Die im Film gezeigte Thames Flood Barrier bei London wurde nicht errichtet, weil der Meeresspiegel gestiegen ist, sondern weil die englische Ostküste schon seit Jahrtausenden absinkt. Die Absperrung in der Themse wurde im letzten Jahrzehnt häufiger geschlossen als vorher, aber nicht um Meereswasser auszuschließen, sondern um den Abfluss von Süsswasser zu verhindern. Gore zeigt im Film eine Grafik, die 1930 beginnt, um zu belegen, dass es in früheren Dekaden wegen der globalen Erwärmung kaum Hochwasser gegeben habe. Wenn seine Darstellung nur 2 Jahre früher begonnen hätte, wäre seine Behauptung nicht mehr möglich, denn 1928 gab es die schwerste Überschwemmung, welche die Themse je hervorgerufen hatte. Siehe dazu:
- J.A. Foley, et al. (2001), 'Decline of Lake Chad', Journal of Geophysical Research, 106.
- C. Landsea, (2005), Hurricanes and Global Warming, Nature, 438.
- J.B. Elsner, et al. (2000), 'Spatial Variations in Major U.S. Hurricane Activity: Statistics and a Physical Mechanism, Journal of Climate, 13, 2293-2305.
- R.A. Kerr, (2000), 'Dueling Models: Future U.S. Climate Uncertain', Science, 288, 2113-2114.
Der Film enthält noch hunderte weitere Fehler, die wir hier nicht alle besprechen können. Eine detaillierte Kritik hat Mario Lewis vom Competitive Enterprise Institute in seinem A Skeptic's Guide to An Inconvenient Truth vorgenommen.
Christopher Monckton vom Science & Public Policy Institute weist in einer sehr gut verständlichen Darstellung die 35 wichtigsten Fehler des Films nach: 35 Inconvenient Truths: The errors in Al Gore’s movie.
Am Ende einer langen Suche müssen wir feststellen, dass in 'Eine unbequeme Wahrheit' keine Wahrheit enthalten ist. Der Film ist ein Produkt des Ministry of Truth, das George Orwell in seiner Dystopie '1984' beschrieben hat. Jetzt verstehen wir auch, warum das Zentralorgan der KPdSU 'Prawda', d. h. Wahrheit, hieß.
Eine unbequeme Wahrheit vermittelt der Film allerdings. Er lässt Rückschlüsse auf den moralischen Zustand des Establishments zu, das Gores Werk vielfach ausgezeichnet hat und bis heute nicht bereit ist, auf seinen Einsatz bei der Verbreitung von Angst und Schrecken zu verzichten.
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