Samstag, 18. September 2010

EUdSSR

Viele Bürger halten die Europäische Union immer noch für eine Art Freihandelszone, in der die Regierungen zu unser aller Wohl kooperieren. Das ist aber nicht der Fall. Die Regierungen und Parlamente der Mitgliedsstaaten der EU sind nur noch Befehlsempfänger einer supranationalen Institution, nämlich der EU-Kommission, die sich als die Regierung der Vereinigten Staaten von Europa versteht. Diese Union ist ein zentralistischer Bundesstaat und keineswegs ein Staatenbund.

Die EU besitzt eine eigene Rechtspersönlichkeit, sie kann deshalb als Subjekt des Völkerrechts in eigenem Namen internationale Verträge und Abkommen unterzeichnen, mit anderen Staaten diplomatische Beziehungen unterhalten und Mitglied in internationalen Organisationen, wie den Vereinten Nationen, sein. Wie jeder Staat unterhält auch die EU einen Auswärtigen Dienst, der aus 1.100 Beamten besteht, denen weitere 700 Beamte in den untergeordneten Außenministerien der Mitgliedsstaaten zuarbeiten. Diese Diplomaten des europäischen Superstaates sind zuständig für Außenhandelspolitik, Nachbarschaftspolitik und Entwicklungshilfe.

Die Mitgliedsstaaten haben in fast allen Politikfeldern ihre Souveränität an die EU abgegeben. Zu deren supranationalem Entscheidungsbereich gehören unter anderem: wesentliche Teile der Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Forschungs- und Umweltpolitik, das Gesundheitswesen, der Verbraucherschutz, Bereiche der Sozialpolitik sowie der Innen- und Justizpolitik, wie z.B. die Einwanderungspolitik und die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen.

Das eigentliche Machtorgan in diesem Superstaat ist die supranationale Europäische Kommission, die das alleinige Vorschlagsrecht für Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse hat. Im Rat der Europäischen Union wird über die Initiativen der Kommission abgestimmt, wobei die Stimmrechte wie folgt vergeben sind:



Nur in wenigen Bereichen, wie der Außen- und Militärpolitik sowie der Steuer-, Asyl- und Einwanderungspolitik, müssen die Beschlüsse des Rates einstimmig gefasst werden, wodurch jeder Mitgliedsstaat in diesen Angelegenheiten ein Vetorecht hat. In den meisten Politikfeldern beschließt der Rat jedoch mit qualifizierter Mehrheit, die als erreicht gilt, wenn:


  • die einfache Mehrheit, oder in einigen Fällen eine Zweidrittelmehrheit, der Mitgliedsstaaten zustimmt;

  • und wenn mindestens 255 befürwortende Stimmen abgegeben werden;

  • und wenn die befürwortenden Stimmen mindestens 62% der Gesamtbevölkerung der EU vertreten.



Es sind also in der Regel mindestens 91 Stimmen erforderlich, um einen Gesetzesantrag der Kommission ablehnen zu können. Sogar wenn drei der größten Staaten gemeinsam gegen ein Gesetz der Kommission stimmen würden, könnten sie es doch nicht verhindern. Das gibt der supranationalen EU-Kommission, die keinem Wähler Rechenschaft schuldet, eine ungeheuere Fülle von Macht, die weit über das hinausgeht, was nationale Regierungen an Befugnissen und Möglichkeiten haben.

Das Europäische Parlament hat keine reale Macht, denn es darf die Exekutive (Kommission) nicht wählen, sondern kann den Präsidenten der Kommission, der ihm von den Regierungschefs vorgeschlagen wird, nur bestätigen oder ablehnen. Anders als ein richtiges Parlament hat das Europäische "Parlament" kein unmittelbares Initiativrecht, das heißt, es kann keine eigenen Gesetzesvorlagen einbringen. Das Initiativrecht besitzt nur die Kommission. Dieses Scheinparlament hat auch weniger Mitspracherechte als ein echtes Parlament. Nach dem Vertrag von Nizza betreffen diese nur wenige Politikbereiche. So muss das Parlament in der Wettbewerbspolitik und bestimmten Bereichen der Handelspolitik lediglich angehört werden, auch in der Außen- und Sicherheitspolitik hat es kaum Mitspracherechte. Bei der Ernennung der Direktoriumsmitglieder der Europäischen Zentralbank muss das Parlament vom Rat der Europäischen Union angehört werden, kann aber dessen Entscheidungen nicht ändern.

"Of course, since the whole purpose of the 'project' was to take over the reins of governance from nation states and peoples ... it was necessary to delude them by surrounding the 'project' with a facade of democratic legitimacy. Such was the purpose of the European Parliament, with it sham debates, in which speakers might be allowed 90 seconds to read out a prepared speech to which no one listened, followed by voting sessions in which MEPs might be expected to record 400 votes in an hour and a half, frenziedly jabbing at electronic buttons to decide on issues of which they had not the faintest knowledge. Yet all this was to achieve nothing of any substance, since the members of this pretend-Parliament had very little power and no real role except to act out a self-important charade of democracy." Christopher Booker & Richard North: The Great Deception. Can the European Union survive?, London 2005, Seite 603.

Unter diesen Bedingungen ist es nicht erstaunlich, dass die Kommission mit ihren über 30.000 Beamten das wahre Machtzentrum ist. Diese Exekutive, die weitgehend im Halbdunkel arbeitet, nicht gewählt sondern ernannt wird und praktisch niemandem Rechenschaft geben muss, ist die tatsächliche Regierung aller Mitgliedsstaaten der EU, die in einem langwährenden Prozess seit dem Beginn der 1950er Jahre immer mehr Befugnisse an die EU abgegeben haben. Heute sind in fast allen Politikfeldern die Regierungen und Parlamente der Mitgliedsstaaten nur noch ausführende Organe der Kommissare in Brüssel. Den Bürgern ist oft nicht bewusst, dass die nationalen Ministerien und sonstigen Behörden nur Filialen der EU-Zentrale sind, die nach deren Weisung arbeiten. Aus der Sicht des normalen Bürgers scheint sich nicht viel verändert zu haben, da die alten nationalen Institutionen noch intakt sind. Erst im Konfliktfall wird dann festgestellt, wer wirklich die Macht hat.

Das Regierungssystem der EU ist sehr ähnlich dem der Sowjetunion, deren 15 Mitgliedsstaaten ebenfalls einen voll ausgebauten Regierungsapparat einschließlich Außenminister hatten, wo aber ebenfalls alle Entscheidungen von der zentralen Unionsregierung in Moskau getroffen wurden, wobei das Politbüro der KPdSU in seiner unkontrollierten Macht sehr der Kommission der EU gleichkam.

Auch ideologisch ähneln sich die Kommissare von Moskau und Brüssel. Die überregulierte Wirtschaft der EU ist nicht weit von der Kommandowirtschaft der Sowjetunion entfernt. Das Directory of European Union legislation in force listet auf über 1.300 Seiten die Tausenden von Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse auf, die derzeit in Kraft sind. Die folgende Tabelle zeigt deren Anzahl je Politikbereich:


  1. General, financial and institutional matters: 1154

  2. Customs Union and movement of goods: 853

  3. Agriculture: 3150

  4. Fisheries: 844

  5. Movement for workers and social policy: 497

  6. Right of establishment and to provide services: 251

  7. Transport policy: 649

  8. Competition policy: 1715

  9. Taxation: 167

  10. Economic and monetary policy and movement of capital: 463

  11. External relations: 3251

  12. Energy: 372

  13. Industrial policy and internal market: 1480

  14. Regional policy and coordination of structural instruments: 371

  15. Environment, consumers and health protection: 1308

  16. Science, information, education and culture: 406

  17. Law relating to undertakings: 110

  18. Common Foreign and Security Policy: 439

  19. Security and justice: 584

  20. Civil rights: 19



Die obigen Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse der EU nehmen über 120.000 eng bedruckte Seiten ein. Unter der Bürde dieser Überregulierung haben die Bürger und Wirtschaftsunternehmen schwer zu tragen. Das macht sich in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Stagnation bemerkbar. Hinzu kommt die Ausschaltung eines Steuerwettbewerbs innerhalb der EU, um extrem hohe Steuern zur Finanzierung eines egalitären Sozialstaates durchzusetzen, der sich in seiner Zielsetzung nicht sehr von dem in der Sowjetunion unterscheidet. Hinzu kommt, dass die Kommission einen rigiden Nannystaat anstrebt, der in Fragen der privaten Lebensführung immer mehr in die Entscheidungen der Bürger eingreift. Beschwerden dagegen bei den Politikern vor Ort im jeweiligen Nationalstaat sind aussichtslos, denn all das kommt aus der nicht rechenschaftspflichtigen EU-Zentrale, auf die Regierungen und Parlamente auch großer Staaten, sogar wenn sie es wollten, keinen Einfluss haben.

"That such an unnecessary and irrational project as building a European superstate was ever embarked on will seem in future years to be perhaps the greatest folly of the modern era." Margaret Thatcher, Statecraft: Strategies For A Changing World, London 2003, Seite 410.

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