Donnerstag, 9. Juni 2011

Energiewende in den Abgrund

Die Bundesregierung hat im September 2010 ihr Energieprogramm vorgelegt, das folgende Ziele enthält:

  • Verminderung der Treibhausgasemissionen gegenüber dem Wert des Jahres 1990 um 40% bis zum Jahre 2020 und um 80% bis 95% bis 2050.

  • Reduktion des Primärenergieverbrauchs bis 2020 um 20% und bis 2050 um 50% gegenüber dem Stand des Jahres 2008.

  • Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch auf 18% und am Bruttostromverbrauch auf 35% bis 2020. Für 2050 sollen das 60% bzw. 80% sein.

  • Laufzeitverlängerung für die Kernkraftwerke um durchschnittlich 12 Jahre.


Der letzte der obigen Punkte sollte den Wahnsinn des staatlichen Energiekonzepts etwas mildern, aber die am 14.12.2010 in Kraft getretene Verlängerung der KKW-Laufzeiten wurde bereits drei Monate später durch das Kernkraftmoratorium und die darauf folgende Stilllegung von sieben Kernkraftwerken wieder aufgehoben. Heute hat die Bundesregierung ein Gesetz in den Bundestag eingebracht, nach dem im Laufe der nächsten 11 Jahre alle KKW für immer abzuschalten sind. Diese Energiepolitik werde, so versichert sie, eine "umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung" sicherstellen. Wir wollen diesen Anspruch hier näher überprüfen.

Umweltschonend


Ersetzt man die bisherige Stromerzeugung aus deutschen Kernkraftwerken je zur Hälfte durch Importe und durch Strom aus inländischen Kohle- und Gaskraftwerken, dann würden im Jahre 2018 dadurch von der deutschen Energiewirtschaft 62 Millionen Tonnen CO2 mehr emittiert als bei Beibehaltung der bestehenden KKW, was einer Zunahme um 28% entspricht (Wissenschaftliche Analyse zu schnellem Kernenergieausstieg des BDI vom 24.04.2011). Allein in den 3 Monaten des Atommoratoriums vom März 2011 bis heute wurden in Deutschland rund 8 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich erzeugt. Damit verstößt die politische Klasse gegen ihre eigenen Reduktionsziele. Die regenerativen Energien sind alles andere als umweltfreundlich:

  • Energetische Biomassenutzung. Diese Verbrennung von Lebensmitteln verursacht steigende Lebensmittelpreise, Hunger in Entwicklungsländern (siehe dazu: Sündenböcke in Ägypten und Tunesien), Abholzung von Tropenwäldern für den Anbau von Ölpalmen, riesigen Flächenverbrauch, Monokulturen mit Verarmung der Böden, immensen Düngemitteleinsatz und Wasserverbrauch. Das selbst gesetzte Ziel einer Reduktion der Kohlendioxidemissionen wird nicht nur nicht erreicht, sondern die CO2-Bilanz ist sogar negativ.

  • Windstrom. Die Behauptung, dass durch die Nutzung der Windkraft fossile Brennstoffe eingespart würden und dem entsprechend die Emission von Kohlendioxid vermindert werden könnte, ist falsch. Modellrechnungen zeigen, dass durch die vom EEG erzwungene bevorzugte Einspeisung des Windstroms mehr fossile Energie verbraucht wird, als dies ohne den Einsatz der Windenergie notwendig wäre. Die EVU müssen konventionelle Kraftwerkskapazitäten in der Höhe der installierten Windstromnennleistung als Puffer bereit halten, um die Schwankungen der Windstromeinspeisung auszugleichen, wobei die mit fossilen Brennstoffen befeuerten Reserveanlagen ständig herauf- oder herunterzufahren sind, was nur mit erheblichen Effizienzeinbußen möglich ist, da die Backup-Kraftwerke hierbei außerhalb ihres Optimums betrieben werden. Dadurch ist ihr Brennstoffverbrauch höher als im Normalbetrieb, was oft die Brennstoffeinsparung der Windkraftanlagen überkompensiert, siehe dazu: Windige Geschäfte.

  • Solarstrom. Auch für die Solarenergie gilt grundsätzlich, dass die behauptete Brennstoffeinsparung in der Praxis nicht erreicht wird, siehe dazu: Solarenergie verbrennt Geld.


Zuverlässig


Nach der Zwangsabschaltung der sieben KKW im März kam es nur deshalb nicht zu Stromausfällen im deutschen Netz, weil die EVU in Spitzenzeiten alle Kohle- und Gaskraftwerke bis zur Maximalleistung hochfahren und vorerst die schon geplanten Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten verschoben haben. Auch die Netzbetreiber verzichten auf diese Arbeiten in ihren Höchstspannungsnetzen, weil sogar kurzfristige Abschaltungen in der gegenwärtigen Mangelsituation flächendeckende Stromausfälle sehr wahrscheinlich machen. Siehe dazu: E.On fährt Gas- und Kohlekraftwerke hoch.

Im kommenden Winter sind an kalten, windarmen Tagen, wenn unsere Nachbarn ihren Strom selber brauchen, weiträumige Netzzusammenbrüche zu erwarten. Auf jeden Fall wird Deutschland als Stütze für das europäische Netz ausfallen und statt dessen seine schwache Stelle werden, die andere Netzteilnehmer ständig bedroht.

Der ständig fluktuierende Wind- und Solarstrom ist mit einem stabilen Hochleistungsnetz nicht vereinbar. Großtechnische Speichermöglichkeiten zur Lösung dieses Problems sind beim gegenwärtigen Stand der Technik nur die Pumpspeicherwerke, für die es in Deutschland kaum weitere Ausbaumöglichkeiten gibt. Das Pumpspeicherwerk Atdorf im Schwarzwald wird vermutlich der letzte große Speicherbau dieser Art sein, denn grüne Bürgerinitiativen bekämpfen erbittert jedes neue Projekt.

Die Seekabel-Verbindung durch die Nordsee zu den norwegischen Wasserkraftwerken wird keine spürbare Entlastung bringen, denn die milliardenteure 530 km lange Leitung kann nur 1.400 MW übertragen. Das entspricht gerade einmal 4% der schon jetzt in Deutschland installierten Windstromleistung. Außerdem sind die meisten norwegischen Wasserkraftwerke keine Speicherwerke, die Wasser bergauf pumpen könnten. Sie müßten mit großem Aufwand umgebaut werden, falls ihre norwegischen Betreibern das überhaupt wollen.

Die grüne Behauptung, dass in Zukunft Millionen von Elektroautos mit ihren Batterien das Speicherproblem des Wind- und Solarstroms lösen würden, ist unglaubwürdig. Es wird in den nächsten Jahrzehnten keine nennenswerte Anzahl von Elektroautos geben, da noch sehr lange keine bezahlbaren, für den Winterbetrieb geeigneten und mit ausreichender Energiekapazität ausgestatteten Batterien gebaut werden können. Die Hoffnung auf einen technologischen Durchbruch in diesem Bereich ist reine Illusion.

Eine weitere Fehleinschätzung liegt in der Annahme, dass die Eigentümer von Elektroautos bereit wären, die Batterien ihrer Fahrzeuge den Stromversorgern zum Ausgleich ihrer Einspeisungsschwankungen zu überlassen. Die Lebensdauer der teuren Batterie wird nicht durch ihr Alter, sondern allein durch die Anzahl der Lade-Entlade-Vorgänge bestimmt. Wenn die Autobatterie nach Bedarf der EVU geladen und entladen wird, senkt das ihre Lebensdauer erheblich. Einer derartigen Zweckentfremdung würde ihr Eigentümer nur zustimmen, wenn er von den Stromversorgern eine Nutzungsgebühr erheben könnte. Das wiederum führte zu einer drastischen Verteuerung dieser Speichermöglichkeit, für die auch noch eine gigantische Infrastruktur aufzubauen wäre.

Von illusionärem Wunschdenken geprägt sind auch alle Vorschläge, den Windstrom für eine elektrolytische Spaltung von Wasser zu nutzen und den daraus gewonnenen Wasserstoff wieder in Strom zurückzuverwandeln. Das wären äußerst kostspielige Energievernichtungsanlagen mit Energieverlusten im Bereich von 70% bis 80%, siehe dazu: Wasserstoff ist kein Ersatz für Erdöl.

Bezahlbar


Der durch die KKW-Abschaltungen plötzlich notwendig gewordene zusätzliche Stromimport brachte die Börsenstrompreise zum Steigen, übrigens auch für unsere Nachbarstaaten. So erhöhten sich seit dem Kernenergieausstieg die Preise an den Strombörsen um 12% und die Kurse der Emissionszertifikate um 10%.

Seit der Abschaltung der sieben KKW am 17. März 2011 importiert Deutschland zusätzlich täglich circa 45 Millionen KWh. Dafür zahlen die deutschen Abnehmer einen Preis, der um rund 50 Euro pro MWh über dem Abgabepreis der stillgelegten deutschen Kernkraftwerke liegt. Allein das bedeutet für die Stromverbraucher seit dem Abschalttag eine tägliche Mehrbelastung von rund 2,3 Millionen Euro.

Nach einer Studie des BDI lässt die stufenweise Abschaltung der Kernkraftwerke die Strompreise bis 2018 um ein Drittel steigen. "Bis 2020 kämen auf die Stromverbraucher allein durch einen vorgezogenen Kernenergieausstieg Mehrkosten von insgesamt rund 33 Milliarden Euro zu. Die steigenden Preise erklären sich vor allem durch den Einsatz teurerer Erzeugungstechnologien und durch höhere CO2-Preise. Den größten Anteil müssten Industrie und weitere Gewerbekunden übernehmen: Sie hätten in diesem Zeitraum 24 Milliarden Euro Mehrkosten zu tragen, private Verbraucher neun Milliarden Euro. Rechnet man die Mehrkosten eines Ausstiegs mit den absehbaren Kosten des Ausbaus erneuerbarer Energien und der Netzinfrastruktur gemäß Energiekonzept für alle Kunden zusammen, so betragen die Mehrbelastungen bis 2020 sogar 51 Milliarden Euro." (Wissenschaftliche Analyse zu schnellem Kernenergieausstieg)

Jeder Bürger kann berechnen wieviel ihm die politische Bevorzugung der regenerativen Energien kostet, indem er die Vergütungssätze für Wind-, Solar- und Biomassestrom (Einspeisevergütung gem. EEG) mit den Gestehungskosten (ohne Steuern, Abgaben, Verteilungskosten, Gewinn) für Strom aus Kohle-, Gas- und Kernkraftwerken vergleicht. Die Gestehungskosten für die konventionelle Stromerzeugung betragen (Panos Konstantin, Praxisbuch Energiewirtschaft):

  • Braunkohlekraftwerke: 4,6 Cent/KWh.

  • Steinkohlekraftwerke: 4,9 Cent/KWh.

  • Kernkraftwerk (abg.): 2,2 Cent/KWh.

  • Kernkraftwerk-Neubau: 5,0 Cent/KWh.

  • Gas-Dampf-Kraftwerke: 5,7 Cent/KWh.


Die Einspeisevergütungen für Ökostrom gem. Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) betragen im Jahre 2011 (Wikipedia, Erneuerbare-Energien-Gesetz):

  • Windstrom Landanlage: 9,2 Cent/KWh.

  • Windstrom Offshore: 13,0 Cent/KWh.

  • Biomassestrom Grundvergütung: 11,67 Cent/KWh bis 150 KW, danach absinkend bis 7,79 Cent/KWh bei 5 MW - 20 MW, dazu zahlreiche Boni wie Nawaro-Bonus, Gülle-Bonus, Technologie-Bonus, Kraft-Wärme-Kopplungs-Bonus und Formaldehyd-Bonus.

  • Photovoltaikstrom: 28,74 Cent/KWh bis 24,43 Cent/KWh je nach Zeitpunkt der Inbetriebnahme.


Hierzu kommen die Kosten des Netzausbaus, um den Ökostrom zu den Verbrauchszentren zu bringen. In den nächsten zehn Jahren sind 4.500 km neue Höchstspannungsleitungen zu bauen, um die regenerative Stromerzeugung von 17% auf 40% zu steigern. Auf der Mittel- und Niederspannungsebene sind zusätzliche Leitungen von 200.000 bis 400.000 km erforderlich. Allein schon die Kosten des politisch erzwungenen Um- und Ausbaus der Stromnetze werden die Strompreise deutlich erhöhen.

Durch den Kernenergieausstieg verliert Deutschland die Fähigkeit zum Bau neuer Kernkraftwerke und damit viele potentielle Kunden, die sich diese Hochtechnologie zunutze machen wollen. Das bedeutet den Verlust anspruchsvoller Arbeitsplätze, die Abwanderung Hochqualifizierter ins Ausland und eine steigende Abhängigkeit von immer teuer werdenden Stromimporten. Die Kernkraftwerke der 4. Generation, in denen es aus physikalischen Gründen zu keiner Kernschmelze kommen kann, sind inhärent sicher, siehe dazu The Generation IV International Forum. Sie werden aber nicht mehr von deutschen Unternehmen gebaut werden, die damit in diesem entscheidenden Bereich zur Bedeutungslosigkeit absinken.

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